Me(e)hr unterwegs,  Norwegen

Norwegen – Møre og Romsdal: Angeln in norwegischen Fjorden*

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„Du bekommst die rote Rute“, hätte mir vor einigen Monaten noch ein ziemlich erstauntes bis empörtes Gesicht entlockt. Die Rute?! Bitte? Wie meinen?! Sind wir hier beim Nikolaus oder in mancher Leuts Schlafzimmer?! Natürlich nicht. Jetzt, da ich keine blutige Anfängerin mehr bin, weiß ich natürlich, dass der Mann mit „Rute“ die Angel meint, also untechnisch gesprochen den Stock, an dem man die Schnur ins Wasser hält.

Aber von vorne.

Ach übrigens, falls Sie über eine Suchmaschinensuche zufällig bei meinem Artikel gelandet sind und erwarten, hier einen Erfahrungsbericht eines erfahrenen Hochseeanglers in Norwegen zu finden, freue ich mich zwar, dass die Suchmaschine meinen Artikel auswählt und für wichtig erachtet hat, und dass Sie darauf geklickt haben. Aber damit Sie Ihre Zeit nicht sinnlos mit Anfänger-Blabla verschwenden, bin ich auch nicht böse, wenn Sie ausnahmsweise mal weg klicken. Oder nur die Bilder angucken. Wobei ich noch kurz darauf hinweisen möchte, dass ich am letzten Tag ein echtes Fjordschwein gefangen habe! Einen riesigen Dorsch! Ansporn genug, dabei zu bleiben? Schön 🙂

An alle anderen, die meinen Norwegenurlaub 2018 von Anfang an gelesen haben: Dies hier ist also der Teil zum Angeln, was ja, wie ich schon gesagt habe, meine Premiere war. Ich wusste vorher noch nicht einmal, ob mir Angeln überhaupt Spaß machen könnte, geschweige denn, wie man merkt, ob ein Fisch angebissen hat. Der Mann sagte mir immer, dass ich das sofort merken würde. Und so war es auch.

Wieso muss mein erster Fang so niedlich sein?

Da saß ich also auf dem gemieteten Boot und hielt die Angel in die tiefen Abgründe des Fjords und wartete. Und der Mann hatte Recht: Als es passierte, wusste ich sofort, dass jetzt wirklich ein echter Fisch angebissen hatte, denn plötzlich fuhr so ein leichtes lebendiges Zucken in die Angelrute, das man nicht ignorieren kann. Gott, wie aufregend! Ich weiß es noch genau: Als ich die Schnur hochgekurbelt habe, schwankte meine Gefühlswelt zwischen Schrecken darüber, dass ich ein lebendes kleines Tier gefangen hatte, Spannung auf das, was da jetzt an die Oberfläche kommen würde und Ungläubigkeit, dass ich echt geschafft hatte, einen Fisch zu fangen. Ich mache es kurz: Mein erster Fisch war ein kleiner Knurrhahn (J ), der wirklich niedlich und hübsch war und sogar kurz geknurrt hat, als der Mann ihn von der Angel befreit und wieder zurück ins Wasser gesetzt hat. Ein klitzekleines bißchen war ich ehrlich gesagt erleichtert, dass mein erster Fisch wieder zurück ins Wasser springen konnte. Jaa, ich weiß, dass der Sinn des Angelns nicht darin besteht, Fische an die Wasseroberfläche zu holen, nur um sie dann wieder in das Wasser reinzuwerfen. Schon klar, aber ich musste echt erst einmal die Situation verarbeiten, dass ich ein Tier, das eigentlich unter Wasser und weit weg von uns wohnt  – und dann auch noch so niedlich aussieht – zwangsweise an die Oberfläche geholt habe, wo es eigentlich nicht sein will. Und dafür war es gut, dass dieses erste Tier schnell wieder wegschwimmen konnte.

Makrelen-Rausch und Blut geleckt

Nun ja. Keine Sorge, ich habe Blut geleckt. Als die Makrelen kamen. Diese Biester. Da wurde es wild. Das sind aber auch draufgängerische Teufelchen. Es ist wirklich so: Wenn du die Angel auf …. sagen wir … 45 Meter ablassen willst und über einem Makrelenschwarm stehst, erreichst du den Grund nie! Die Makrelen sind solche Raubtiere, dass sie von unten nach oben auf die Angel zuschießen und den Köder fangen wollen! Zack, hängen sie selbst am Haken. Und in den Haken des Vorfachs. Und die Biester machen einen Rabatz an der Angel, sodass sich die Angel gefährlich Richtung Wasseroberfläche biegt und ich ganz schön zu kurbeln hatte, wenn ich zwei oder drei normalgroße Makrelen gefangen hatte.  Wobei „gefangen“ schon fast übertrieben ist, denn ich hatte nichts gemacht, außer Schnur abzulassen. Im Prinzip kann man sagen, dass die Makrelen sich bei ihrer Kamikaze-Jagd in die Angel verbissen haben. Irgendwie ein bißchen selbst Schuld, denn immerhin wollten sie selbst gerade einen Fisch killen und nu … naja, gibt es eben frische Makrele zum Abendessen.

Krass ist, wie das Boot aussieht, wenn man ein paar Makrelen erwischt hat. Ich hätte das ja nie für möglich gehalten, aber es war ALLES voll. Und es tut mir leid, wenn du zartbesaitet bist, spring bitte zum nächsten Absatz. Wirklich. Letzte Chance und sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt. Ich meine es ernst. Also los gehts. Ein paar wenige Makrelen schaffen es, dass das Boot, der Mann, seine Hände, seine Hose und die gesamte Fischkiste voller Blutspritzer, Kot, Schuppen und was weiß ich noch alles ist. Unfassbar. Ich meine, der Mann ist echt sehr vorbildlich unterwegs und macht es richtig: erst betäuben und dann sofort die Kehle aufschneiden, damit die Fische nicht qualvoll ersticken müssen, sondern sofort tot sind. Und außerdem blutet das Filet dann nicht ein.

Das ist an sich kein wirklich schöner Anblick und ich bin unendlich dankbar, dass ich das nicht machen muss, denn so sehr ich es liebe, Fisch zu essen: Ich kann einfach keine Tiere aktiv töten (außer Maden), ich kann es nicht. Sorry. Dann zerreißt es mich innerlich und ich bekomme Pipi in die Augen und zwar diesmal nicht, weil die Landschaft so schön ist, wie im Oslofjord. Also – ich bin wirklich, wirklich froh und von Herzen dankbar, dass der Mann freiwillig die Aufgabe des Betäubens und Kehlens (so heißt das) übernimmt. Und er macht das wirklich gut und anständig. Bei allen (!) anderen Fischen geht das auch ganz ruhig vonstatten. Nicht so bei den Makrelen! Als ob die selbst dann noch Feuer im Hintern hätten, spritzen, kleckern und zappeln die unendlich – und vor allem: eszucken manchmal plötzlich nach 20 Minuten noch Muskeln los in der Fischkiste, und es hört sich an, als ob jemand von unten an das Boot klopft! Für alle, die den obigen Absatz übersprungen haben: Natürlich sind das nur noch elektrische Muskelimpulse (hab ich recherchiert). Meine Güte. Krasse Erfahrung.

Was macht man denn stundenlang beim Angeln?

Na im Idealfall fängst du in einer Tour Fische und weißt abends nicht mehr, wie du sie alle in die (hauseigene) Truhe legen sollst. Ich verrate es schon einmal: so war es bei uns nicht. Ich habe ja kein Vergleichsmaterial, aber der Mann sagte, dass ganz schön wenig Fische insgesamt auf dem Echolot auftauchten. Wir hätten wohl raus aufs offene Meer fahren müssen, allerdings ließen die Witterungsverhältnisse das nicht zu, weil ständig zu starker Wind wehte. Im Fjord ging es, aber schon in der Nähe der Grenze zum offenen Meer hat man den Wellengang gespürt.

Gut, also man sitzt im Boot oder fährt mal von hier nach da und sucht über das Echolot unter Wasser gelegene Steilhänge oder Stufen, denn – so habe ich es gelernt – dort an den Hängen stehen die Fische oft.

Und solange man keine Fische findet oder keine Fische anbeißen, sitzt man einfach nur auf dem Boot, genießt den Ausblick und entspannt sich zutiefst. Ehrlich, manchmal haben wir nichts gehört, außer dem leisen Wasserglucksen unter dem Boot und ein paar Schafen, die in den Hängen der Fjordufer grasten.

Das macht glücklich! Einfach da sitzen und gar nicht glauben können, wie schön es rundherum ist.

Und das allerschönste war: wir haben Schweinswale gesehen! Und gehört! Ich wusste ja erst gar nicht, was das ist, als auf einaml ein leises „Pffff“ ertönte. Es war eine Schweinswal-Familie, also zwei größere und ein kleiner, die in unserem Fjord umherzogen. Ich habe natürlich versucht, sie auf den Film zu kriegen. Ging aber leider nicht so richtig gut.

Du siehst, auch auf dem Wasser kannst du jede Menge erleben und es wird nicht langweilig, auch wenn man das landläufig häufig denkt, wenn jemand vom Angeln spricht.

Und wenn man Glück hat, dann fängt man auch noch einen Riesenfisch! Hab ich gemacht. Am letzten Tag.

Kunstfotot mit pinkem Pilker und Fjordlicht
Das ist die Angel, die ich benutzen durfte.
Klar, Möwen sind überall, wo Fische gefangen werden.
Unser „Ort“. Unser Haus war das dicke gelbe in der Mitte. Bombig!
Mal anderes Wetter.
Schwimmweste, Regenjacke, tausend Pullover, Windhose, Regenhose, Käppi brauchste schon bei dem Wetter

Was soll ich sagen? Das Angeln hat mir echt riesigen Spaß gemacht. Leider hatte ich einige Hänger, das heißt, dass der Pilker sich im Gemüse am Grund des Fjords verhakt und abgerissen ist. Ärgerlich. Viele meiner Gemüse-Hänger konnte der Mann noch rechtzeitig befreien, aber wenn man nicht sofort merkt, dass es Gemüse ist, sondern denkt, es sei ein großer Fisch, dann kurbelt man so doll, dass die Schnur reißt. Mann, mann. Die Pilker sind teuer. Echt ärgerlich. Aber leider nicht zu ändern.

Und dann – am letzten Tag – kam er, der große Riesenfisch. Ich saß ganz entspannt auf dem Boot und versuchte, das glitzernde Fjordwasser in mein Gedächtnis zu speichern, als es auf einmal an der Angelrute ruckelte. Und zwar makrelenartig. Ich war kurz genervt, weil wir wirklich schon genug Makrelen gegessen und eingefroren hatten. Aber dann war etwas anders. Schwerer irgendwie. Und ich wusste auch, dass wir auf ungefähr 65 Meter abgelassen hatten und die Makrelen waren vorher immer weiter oben gewesen. Ich begann zu kurbeln. Der Widerstand ließ nach, aber das Kurbeln wurde immer schwerer und schwerer, sodass meine Arme schon brannten. Ich habe wirklich ein paar Sekunden gedacht, dass ich es nicht schaffen würde, die Schnur einzuholen, aber zum Glück hat der Mann mich angefeuert. Ich habe gekämpft, das stimmt wirklich. Es war schweineanstrengend und ganz schlimm spannend, was da nu an die Oberfläche kommen würde. Ich konnte nicht im Stehen kurbeln, weil das viel zu anstrengend gewesen wäre, deswegen habe ich nicht zuerst den Fisch, sondern das Gesicht des Mannes gesehen. Ich wusste sofort, dass das ein guter Fisch sein musste. Und das war es auch. Ein riesiger Dorsch. Ich liebe Dorsch! Der war so groß, dass der Mann ein Gaff benutzen musste. Ich erkläre das aus Rücksicht auf die Zartbesaiteten und auch mich selbst nicht genau; nur soviel, bei kleinen Fischen braucht man kein Gaff.

Das Fjorschwein! Krasser Riesendorsch!

Wie du siehst, kann auch ein Angelanfänger Glück haben und ein Riesending fischen. An diesem Abend war es besonders befriedigend, mit dem Boot am Haussteg anzulegen und die Fischkiste zum Filetiertisch zu bringen (oder daneben herzugehen, denn die Kiste war schon ziemlich schwer und bevor sie mir vom Steg rutscht, hat der Mann sie natürlich getragen). Denn klar: alle Nachbarn gucken auffällig oder vermeintlich unauffällig, was wir anschleppen. Kann man schon mal genießen.

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